© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
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Klingenberger Schiffe
Klaus Schmitt 2017
Frühe Schifffahrt auf dem Main
Von einer Schifffahrt auf dem Main vor der Zeit der Römer ist nichts bekannt. Schiffe, die von den Römern eingesetzt wurden, waren offenbar auch nicht; besonders nützlich für das was die Besatzungsmacht brauchte. Der Main war ein schwieriger Fluss, seicht und träge fließend, mit vielen Krümmungen,) Inseln und geteilten flachen Flussarmen. Bei starkem Regen und nach der! Schneeschmelze ein reißendes Gewässer, in trockenen Sommern ein schmales, flaches Rinnsal. Dennoch war der Transport auf der Wasserstraße sinnvoll. Kaiser Karl der; Große ließ im Jahre 793 für den Transport von Kriegsmaterial eine Verbindung zwischen den Flusssystemen von Donau und Rhein einen Kanal; graben, auf dem er Schiffe einsetzen wollte. In diesem Flusssystem war natürlich auch der Main enthalten. Die auf der ganzen Strecke einsetzbaren Schiffe mussten sehr klein sein. Dennoch war diese Transportart leichter zu: bewältigen als eine weite Fahrt mit Ochsenkarren. Es ist auch aus dem Jahre 1152 überliefert, dass Kaiser Barbarossa nach seiner Krönung in Frankfurt mit dem Schiff zur Kaiserpfalz nach Sinzig am Rhein gefahren ist; also die Wasserstraße hatte Bedeutung.
Die frühen Schiffe auf dem Main mussten seinen Wasserverhältnissen angepasst sein. D. h. sie waren flach gebaut, leicht, schlank wegen des Widerstandes beim Treideln. Sie durften nicht teuer in der Anschaffung sein, denn die Schiffer der ersten Zeit konnten nicht ausschließlich von der Schifffahrt leben, sie mussten auch noch ein anderes Einkommen haben, wenn die Schiffe stillliegend die Unbilden des Flusses abwarten mussten. Erste Schiffsbeschreibungen muss man aus bildlichen Darstellungen ableiten. Solche sind ab dem 17. Jahrhundert als Stiche für die Vervielfältigung mittels des gerade erfundenen Buchdrucks entstanden. Auf dem Main war ein besonderer Schiffstyp geläufig, der Mainschelch. Als Schelch bezeichnet man ein Schiff mit ungedecktem Laderaum, einer Länge von 12 bis 20 m und einer Tragfähigkeit von 2 bis 3 Tonnen. In Franken ist der Begriff „Scheldek" aus dem germanischen „scaltich" überliefert, ein Flussfahrzeug, ein kleiner Kahn. Andere zu dieser Zeit auf dem Main gängige Schiffstypen waren die kleineren „Marktschiffe" und die Schelche. Neben den Schelchen waren auf dem Main auch die Frankensauen üblich. Als Frankensau bezeichnet man einen um die Wende zum 19. Jahrhundert auf dem Main üblichen Schiffstyp. Dieser war um 37 m lang und 5,6 m breit. Der Tiefgang betrug leer etwa 0,35 m und beladen 1,1 m. Es gab verschiedene Untertypen: Ruderschelch, Streichschelch, Nachtschelch, Waldschelch... am bekanntesten ist der Hümpelschelch. Hümpel meint Buckel, Haufen, Erhöhung, im Bayrischen eine Last, eine Ladung. In alten Wörterbüchern wird Hümpelschelch als schwerfälliger Kahn erklärt. Hümpel hat auch etwas zu tun mit humpeln, mit schief oder krumm, auch mit stumpf. Das lässt sich an der überlieferten Schiffsform wiedererkennen. Der Schelch wird ursprünglich durch ein langes Handruder gesteuert. Man nennt dieses Ruder auch Streiche, (daher auch Streichschelch). Diese ist in einer Gabel am Heck geführt. Ein Untertyp ist auch der sogenannte Wernerschelch, der durch ein langes Handruder gesteuert wird. Dieses Handruder ist in einer Gabel am Heck befestigt. Ein weiterer Untertyp ist der sogenannte Keilschelch. Mit diesem wurde auch der Rhein befahren. Sein Steuerruder wurde durch eine Ruderpinne bewegt, ein ins Ruder eingezapftes Querholz. Ein schönes Bild eines Schelches ist in einem Kupferstich der Stadt Klingenberg aus dem Jahre 1625 überliefert.
Historische Schiffstypen
Flussaufwärts wurden die Schiffe als Treidelzüge von Leinreitern gezogen. Ein Zug bestand aus einer Kette von Fahrzeugen, vornean meist ein größeres Schiff, z. B. eine Frankensau oder ein Marktschiff, und dann kamen im Anhang Schelche, Schlumper und Nachen bis zum kleinsten Fahrzeug, dem Ankernachen. Der Leinpfad wechselte oft die Uferseite vor den Mündungen der Nebenflüsse oder vor Steilhängen. An solchen Stellen mussten Pferde und Reiter die Fahrrinne durchqueren oder übergesetzt werden. Talwärts trieben die Schiffe im Wasserstrom. Bei günstigem Wind wurden Segel gesetzt. Die Kosten für das Treideln der Schiffe waren hoch. Daher konnte ein Gewinn meist nur bei ausreichend tiefem Fahrwasser und mit voll beladenen Schiffen, auch auf Talfahrten erzielt werden. Treidler vor Klingenberg, offenbar eine Nacharbeit des Stiches von 1625:
Das auf dem Kupferstich von Klingenberg 1655 der Treidelzug talwärts ziehend abgebildet ist, war wohl ein Versehen des Kupferstechers, vielleicht weil er die Seitenumkehr beim Druck übersehen hatte. Man erkennt gut die Aufhängung des Treidelstranges am Mast. Wie der Treidelzug an den am Ufer liegenden Schiffen mit Mast vorbei kommen kann, ist nicht zu sehen. Der Brunntorturm sitzt auch am falschen Platz, nicht an der Stadtmauer. Man sieht aber gut die 1000-jährige Linde.
Vom Mittelalter bis zur Vereinigung der deutschen Stämme unter den Hohenzollern war die Fahrt auf dem Rhein durch Zölle und Abgaben erschwert und verteuert. Das berührte auch den Wechselverkehr von und zu den Nebenflüssen, also auch zum Main.
Erste registrierte Schiffe
Zur Blütezeit der Territorialherrschaften gab es dutzende Zollstationen im Rheingebiet. 1794 saßen an der uralten „Pfaffenstraße" geistliche und weltliche Herren noch so mannigfaltig beieinander, daß auf der Strecke Germersheim bis Rotterdam noch an 32 Orten Rheinzoll erhoben wurde. Zollstellen zwischen Bingen und Emmerich: Bingen (Kurmainz), Bacharach und Kaub (Kurpfalz), St. Goar (Katzenellenbogen), Boppard und Leutesdorf (Kurtrier), Andernach, Linz, Bonn, Zons (Kurköln), Düsseldorf und Kaiserswerth (Kurpfalz), Ruhrort, Orsoy, Rees, Emmerich (Preußen-Kleve). Mit der französischen Revolution kam auch die Gewerbefreiheit in Gang. Eine Oktroi-Konvention vom 15. 8. 1804 führte zu einer Rheinschiffahrts-Oktroi vom 4. 5. 1805. Das Rheinschiffahrts-Oktroi trat an Stelle der vielen Rheinzölle. Es war zwar nur wenig niedriger als die früheren Zölle, brauchte aber nur einmal entrichtet zu werden. So wurde der Verkehr bedeutend schneller.
Mit dem Inkrafttreten des Rheinschiffahrts-Oktroi ab 1. 11. 1805 war auch eine Anordnung verbunden, nach der eine Eichung aller den Rhein und seine Nebenflüsse befahrenden Schiffe notwendig wurde. Diese Neuerung der Zollordnung löste bei den Mainschiffern großen Ärger aus, denn die Eichung der Schiffe war mit Unannehmlichkeiten, Zeitverlust und Kosten verbunden. Die Mainschiffe mussten der Eichkommission in Mainz vorgestellt werden. Schon die Fahrt dahin und die Rückfahrt bedeuteten für die Mainschiffer verlustreiche Leerfahrten. Mit der Eichpflicht war auch die Auflage zu einer Namensführung verbunden. Zuvor war eine Benennung der Schiffe nicht üblich. Die ersten Schiffe, die am Main registriert wurden, sind in der sog. Polizeiakte von Mainz aus dem Jahre 1808 zu finden. Hier sind für Klingenberger Schiffer 21 Schiffe registriert. Damals wurden keine Schiffsnamen aufgezeichnet, nur die Namen der Schiffseigner, der Schiffstyp und die Schiffsgrößen, gemessen in Tragfähigkeit. Abmessungen sind nur gelegentlich verzeichnet, die Baujahre gar nicht. Am Beispiel der ersten Eintragungen wird auch deutlich, dass ein Schiffer mehrere Schiffe im Betrieb hatte, die auch gleichzeitig getreidelt wurden.
Die Darstellung der ganzen Liste von 21 Schiffen - meist ohne Namen - wäre an dieser Stelle wenig aufschlussreich. Jedoch die Namen der Schiffer seien hier aufgelistet: Jacob Ebert Joh. Franz Ebert Josef Ebert sen. Valentin Ebert Bernhard Ebert Paul Laudenschläger Jörg Ebert Franz Ebert Josef Ebert jun. Anton Ebert Johannes Ebert Franz Schönig Weitere Namen von Schiffern aus Klingenberg sind aus den Protokollen des Fischer- und Schiffervereins bekannt, darunter als Meister aufgenommen: Hans Georg Schmitt Johannes Georg Schmitt losef Schmitt
Erste namentlich registrierte Schiffe
Waren nach der französchen Revolution neuere Gewerbeordnungen eingekehrt, konnte nach dem Sieg über Napoleon auf internationaler Ebene - auf der die Rheinschifffahrt ja geregelt werden musste - weitreichende Strukturveränderungen beschlossen werden. Die Rheinschfffahrt wurde frei. Nach dem allgemeinen Frieden von Paris vom 30. Mai 1815 wurde das Rheinoktroi als Handelshemmnis erkannt. „Die Schifffahrt des Rheins" hieß es in Artikel 5 des Pariser Friedensschlusses - „von dem Punkte an, wo sie schiffbar wird, bis in das Meer und umgekehrt soll in der Weise frei sein, dass sie Niemand untersagt werden könne. .... „Man wird sich auf dem künftigen Kongresse mit den Grundsätzen beschäftigen, nach welchen die von den angrenzenden Staaten zu erhebenden Gebühren auf die gleichmäßigste und für den Handel aller Nationen vorteilhafteste Art reguliert werden können. " Für den Verkehr auf dem Rhein wurden Polizeiverordnungen eingeführt. Schiffe mussten nun durch einen Namen oder eine Devise kenntlich gemacht werden. Im Auftrag des Statistischen Comités in Frankfurt wurde der Bestand an Schiffen auf dem Main erfasst. Im Jahre 1840 hat Heinrich Meidinger eine statistische Übersicht über die Mainschifffahrt und Flößerei verfasst, die sog. Meidinger-Liste. Es handelt sich um eine punktuelle Erfassung aus Unterlagen der Zollstationen Hanau und Höchst. Hier tauchen dann auch die ersten Schiffsnamen auf. Das erste namentlich genannte Klingenberger Schiff ist „Pankratius", der Schutzpatron der Klingenberger Kirche. Während in der Mainzer Polizeiakte auch Kleinere Schiffe wie Fischernachen, Ankernachen und sog. Spitzer aufgelistet sind mit Tragfähigkeiten von 12 Ztr. bis 80 Ztr. und gelegentlich Ruderschelche bzw. Streichschelche von 300 bis 600 Ztr., sind in der Meidiger-Liste Ruderschelche von 1100 bis 1800 Ztr. namentlich aufgeführt. Aus dieser „Statistischen Übersicht über die Schiffahrt auf dem Main von 1840" (von H. Meidinger) geht hervor, dass Klingenberg mit ca. 1000 Einwohnern für die Schifffahrt bedeutsam ist mit Holzhandel, Weinbau und Tonerde. Die jährliche Ausfuhr betrug 20 bis 30000 Ztr. In der genannten Meidinger-Statistik sind folgende Schiffe aus Klingenberg namentlich registriert:
Schelche vor Klingenberg zu Feierabend
Um sich eine Vorstellung von den damaligen Schiffen machen zu können, hat der Autor ein Bild gemalt, das Schiffe zeigt, die zum Feierabend festgemacht hatten am Erlenbacher Ufer mit Blick auf Klingenberg.
Die erste zuverlässige Registrierung erfolgte ab der Gründung des IVR, (Internationales Rheinfahrt Register), das 1874 in Frankfurt gegründet wurde. Dieses Register war von Versicherern aufgestellt worden, um die Tauglichkeit eines Schiffes für den Gütertransport zu untersuchen, zu attestieren und bekannt zu machen. Das Register nennt neben dem Schiffseigner auch den Schiffsnamen, den Schiffstyp, die Hauptabmessungen, das Fahrtgebiet, die letzte Untersuchung, die Tragfähigkeit, die Besatzungsstärke und Bauort und Baujahr. Damit beginnt hier für diese Darstellung die Möglichkeit, die Schiffe ihrem Alter nach aufzulisten. Im IVR-Register genannt: Segelschiff „VORSORGE" von Klingenberg
Das Foto zeigt das Segelschiff „VORSORGE" in Würzburg. Das Schiff ist gebaut in Wörth 1885 für Josef Ebert aus Klingenberg. Es hatte eine IVR-Zulassung für Main und Rhein, letzte Klassifizierung 1901 in Köln. Auf diesem Schiff hat mein Großvater als Schiffsjunge angefangen und das Schiff später erworben. Das Foto stammt von 1908 (It. meinem Vater). Es ist in Würzburg vor dem ersten MSG- Büro aufgenommen, anlässlich einer Mitgliederversammlung. Deshalb die vielen Schiffer auf der Kaimauer. Und hinter den Schiffern ist neben dem Restaurant Mainstrand ein Haus mit weiß getünchtem Erdgeschoss. Darauf steht "Mainschiffer Verband" Das war der Vorläufer der MSG. Darunter steht "Vertreter Otto Ebert". Der war Miteigner mit Karl J. Schmitt der „VORSORGE" Deshalb wurde sie dort präsentiert.
Im ersten gedruckten Register von 1875 sind Baujahre - soweit sie bekannt waren - von 1864 an genannt. Manche Schiffe aus den Baujahren vor 1875 sind allerdings auch erst in späteren Verzeichnissen erwähnt. Das IVR- Register weist mit Heimathafen Klingenberg zunächst die Holzschiffe aus. Dabei sind auch Schiffe ohne Namen vorhanden. In der Kategorie Schelch oder Segelschiff aus Holz sind es 29 Schiffe.
Klingenberger Schiffe aus der IVR-Liste von 1875 an
Mit dem wachsenden Schiffsbestand kam es auch häufiger zu Havarien. Ganz oft sind es die Brücken, an denen die Schiffe scheiterten. Die Aschaffenburger Brücke war eine besondere Gefahrenstelle. Aus jener Zeit sind aus fleißigen Recherchen von Otto Berninger auch Zeitungsmeldungen von Klingenberger Schiffern und Fischern überliefert.
Eiserne Schiffe
In Deutschland begann der Eisenschiffbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts, nachdem in England erste eiserne Dampfschiffe in Betrieb gekommen waren. Auch in Deutschland verwendete man Eisen zunächst nur für Dampfschiffe, was eigentlich verwunderlich ist, denn das Kasko eines Kahnes ist doch einfacher in der Konstruktion und konnte zu größeren Schiffen führen. Der erste eiserne Lastkahn für den Rhein wurde 1841 erbaut. Er hatte eine Tragfähigkeit von 250 Tonnen. Immer wieder einmal wurde die stolze Behauptung unter den Mainschiffern verbreitet, dass eines der Klingenberger Schiffe, der „FORTSCHRITT" von Heinrich Ebert, das erste eiserne Schiff auf dem Main war. Dieses Schiff war 1888 bei Christof Ruthof in Mainz- Kastell gebaut worden, war 44,00 m lang, 6,88 m breit und hatte einen Tiefgang von 1,50 m. Die Tragfähigkeit ist mit 5726 Ztr. (286 t) angegeben. Das Schiff war mit Seitenschwertern, sowie mit 2 Lademasten und Sprieten ausgerüstet. Zu diesem Schiff hat Otto Berninger vom Wörther Schifferverein dankenswerterweise viel recherchiert und überliefert. Im Laufe seiner langen Lebenszeit hat das Schiff viele Umbauten erfahren. 1904 wurden die Seitenschwerter und 1911 und 1916 die Lademasten entfernt. Sie waren für den Schifffahrtsbetrieb nicht mehr erforderlich. Eine moderne Ruderanlage ersetzt 1908 das alte Helmstockruder. Weitere Umbauten und Modernisierungen folgten. Das Prädikat, das erste eiserne Mainschiff gewesen zu sein, führte jedoch der Schleppkahn "FORTSCHRITT' zu Unrecht. Es gab ein Schiff des Aschaffenburger Schiffers Jocob Orschler mit Namen „ELISA", das am 6. 5. 1887 - also 1 Jahr früher - in einer Aschaffenburger Zeitung als das erste bayerische Mainschiff bezeichnet wird. Auf seiner ersten Fahrt transportierte dieser Schleppkahn 250 t Kohlen vom Ruhrgebiet nach Frankfurt-Oberrad, wo es am 9. 10. 1887 eintraf. Am Untermain, vornehmlich in Frankfurt, sind in dieser Zeit schon eine Reihe eiserner Schiffe registriert, die bereits 1846 erbaut wurden. Mit dem Beginn der Mainkanalisierung von der Mündung bis Frankfurt von 1883 bis 1886 war die Möglichkeit zum Einsatz größerer Schiffe, bis etwa 800 Tonnen gegeben. Diese Schiffe waren natürlich eiserne Schiffe. Ihre Zahl wuchs schnell an. Auch Gustav Ebert aus Klingenberg hatte ein eisernes Schiff in Betrieb, die „Geschwisterliebe“.
Zum „FORTSCHRITT" ist noch aus eigenem Erleben zu berichten: Das Schiff war noch in den 50-iger Jahren in Fahrt. Heinrich Ebert (der Sohn des Erbauers Heinrich Ebert) hatte seinen Wohnsitz nach Lohr verlegt. Sein Sohn Seppel war zusammen mit Bernd Baumgärtner, Klaus Arnold und mir in der Schifferschule in Würzburg, wo wir 1959 den Bootsmannsbrief gemacht haben. Der Seppel war ein Musterschüler, musste jeden Tag unter Aufsicht des Vaters für die Prüfung büffeln. Später war er Star-Kapitän auf einem Raab-Karcher- Schubboot. Wenn man beim „FORTSCHRITT" auf Seit fahren wollte, musste man außer den Händen für den Draht auch noch mit zwei weiteren Händen und am besten auch noch mit den Zähnen ein Reibholz halten. Der Lohrer Heinrich mit seinem schönen Bart kam sofort aus seiner hölzernen Decksküche heraus, stand immer dabei und hat genau darauf geachtet, dass seinem Schiff auch ja kein Leid zugefügt wurde. So hatte er auch viele Probleme, wenn sein Schiff an der Ruhr mit den großen Greifern beladen wurde. Zur Gelassenheit geholfen hat ihm wohl, dass er morgens erst mal einen Schnaps getrunken hat.
Schlepp-Schiffe
Hatte im IVR die Registrierung zunächst hölzerne Schiffe erfasst, so war diese Registrierung in der Folge natürlich für die eisernen Schiffe obligatorisch. Außer den erwähnten „ersten" eisernen Schiffen sind nun viele Schiffe in Klingenberg registriert, die alle aus Eisen gebaut sind. Von den Schleppschiffen sind die meisten später motorisiert worden. Sie sind dann als Motorschiffe im IVR-Register genannt.
Mit dem Übergang auf das Baumaterial Eisen war auch das Kapitel Treidelschifffahrt auf dem Main beendet. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts tauchen Dampfschiffe auf dem Main auf. Zunächst Passagier und Paketschiffe, später wurden diese auch als Schlepper benutzt. In England war bereits 1821 in Staffordshire das erste eiserne Dampfschiff erbaut wworden. In Deutschland erstmals 1834/35 die Werft der Königl. Preußischen Seehandlungs-Societät in Berlin- Moabit an den Bau eines eisernen Dampfschiffes. Es erhielt den Namen "Prinz Karl" Konstrukteur war der englische Ingenieur Gilbert aus Derbyshire. 1836/37 baute die Werft des Dresdner Aktien-Maschinenbau-Vereins in Uebigau/ Elbe die eisernen Raddampfer "Königin Maria" und "Prinz Albert". 1838 wurden auf der Werft der Gutehoffnungshütte in Ruhrort die Raddampfer "Graf von Paris" und "Stadt Mannheim" erstellt. Nach dem Aufkommen erster Dampfschiffe auf dem Main wurde 1841 die Main-Dampfschifffahrts- Gesellschaft in Würzburg gegründet. Die Gesellschaft richtete 1847 eine Dampfschleppschifffahrt auf dem Main ein, die allerdings 1858 wieder eingestellt wurde. Es waren Raddampfer, mit denen die Dampfschifffahrt auch auf dem Main eröffnet wurde. Diese konnten sich jedoch aus mehreren Gründen nicht durchsetzen: Erstens behinderten die ungünstigen Fahrwasser des Mains bei niedrigen Wasserständen der Sommermonate die Dampfschiffe mit ihrem relativ großen Tiefgang, zumal die vom bayerischen Staat zugesagten Fahr- wasserverbesserungen nicht in ausreichendem Maße vorgenommen wurden. Zweitens war die etwa zeitgleich aufgebaute Eisenbahn den Dampfschiffen überlegen; sie fuhr schneller und hatte kürzere Wege. Der Wasserweg von Mainz nach Schweinfurt war um 88 Prozent länger. Außerdem konnte die Bahn Zollstellen ohne Wartezeiten passieren und wurde finanziell nicht durch Zölle und Abgaben belastet. So wurde deshalb 1858 die Dampfschifffahrt mit Raddampfern wieder eingestellt. Der Schiffer Otto Ebert aus Klingenberg hat danach noch einen Dampfer zwischen Frankfurt und Würzburg betrieben mit dem Namen „Frankonia" ex „Moguntia", der möglicherweise später den Namen „Prinz Ludwig" erhielt. Mit dem Schiff dieses Namens ist der Klingenberger Turnverein 1908 zum Deutschen Turnfest nach Frankfurt gefahren. Der wirtschaftliche Nutzen war jedoch nicht ausreichend, so dass Otto Ebert das Schiff an die Elbe verkaufte. Erst nach dem Ausbau des Maines mit Staustufen und Schleusen kam die Dampfschifffahrt doch noch einmal wieder auf. Auch in Klingenberg konnte man dem technischen Fortschritt Folge leisten mit dem Dampfer, den Otto Ebert von Schmitz aus Moers gekauft und eine Zeit lang auf dem Main betrieben hat. Zuletzt war er auf Wasserbaustellen als Schlepper im Einsatz.
Die Kettenschiffahrt
Als kurze Episode in der Schleppschifffahrt nach der Treidelschifffahrt kam zunächst die Kettenschifffahrt auf. Nachdem die Mainschifffahrt immer mehr ihrer Transportkapazität an die Eisenbahn verloren hatte und der Einsatz von Raddampfschleppern aufgrund des flachen Fahrwassers des Mains scheiterte, war die Idee von Heino Held, Inhaber der Mainzer Speditions- und Kohlenhandlung C. J.H. Held & Cie., die Schifffahrt durch Einführung der Kettenschlepp-Schifffahrt zu retten. Ermuntert von den gerade auf der Elbe in Gang gekommenen Unternehmen beantragte Held bei den Behörden von Preußen, Bayern und Hessen am 15. Februar 1871 eine entsprechende Konzession. 1872 gründeten daraufhin die verschiedenen Länder und Städte entlang des Mains ein Komitee in Aschaffenburg. Unterstützt wurde das Komitee durch Ewald Bellingrath, der schon bei der Einführung der Kettenschifffahrt auf der Elbe und dem Neckar federführend war. Zur Debatte standen die Kettenschiffahrt und die Kanalisierung des Mains. Das zum Großherzogtum Hessen gehörende Mainz trat für die Kettenschifffahrt ein, da es befürchtete, dass nach einer Kanalisierung des Mains die Rheinschiffe ihre Güter direkt bis nach Frankfurt bringen könnten und Mainz so seine Stellung als Umschlagplatz verlöre. Das damals zu Preußen gehörende Frankfurt wollte Rheinhafen werden und stimmte der Kette erst zu, nachdem die Kanalisierung bis Frankfurt vollendet war. Der bayerische Landtag war ebenfalls Gegner der Kette; er fürchtete eine Konkurrenz für die staatliche bayerische Eisenbahn und genehmigte die Kette vorerst nur bis Aschaffenburg. Die Kette im Main verlegte die hessische Aktiengesellschaft Mainkette-AG. Die Kettenboote wurden 1886 auf der Neckarwerft in Neckarsulm gebaut. Die Pläne zum Bau stammten von der Firma Gebr. Sachsenberg aus Roßlau (Elbe), die bereits viele Jahre Erfahrungen mit dem Bau von Kettenschiffen gesammelt hatte und auch die gesamten Maschinenanlagen zur Fortbewegung mit der Kette an den Neckar lieferte. Die Kettenschiffe zogen sich selbst und bis zu zehn angehängte Kähne und erreichten dabei eine Geschwindigkeit von etwa fünf Kilometern pro Stunde. So wie anfangs die Frankfurter an der Kanalisierung des Mains bis zu ihrer Stadt interessiert waren, zeigte bald der bayerische Staat größtes Interesse an der Mainkanalisierung bis Aschaffenburg. Alle Güter, insbesondere die zum Betrieb der Bayerischen Staatseisenbahnen erforderliche Ruhrkohle sollten bis dorthin per Schiff transportiert, dort bevorratet, gelagert und verteilt werden können. Am 7. August 1886 wurde die ausgebaute Strecke zwischen Mainz und Aschaffenburg in Betrieb genommen. Am 11. Nov. 1889 wurde eine Eingabe an die Kammer der bayrischen Reichsräte gerichtet, die die Erweiterung der Kettenschiffahrt von Aschaffenburg bis Bamberg forderte. Auch der Klingenberger Schiffer Josef Ebert hat mit vielen prominenten Interessenten den Antrag unterschrieben. In den Jahren 1894 bis 1905 wurde der Main von Aschaffenburg bis Kitzingen für die Kettenschifffahrt auf eine Fahrwassertiefe von 90 cm und 22 m Breite ausgebaut. 1892 stimmte die bayerische Regierung der Verlängerung ihrer Kette bis Miltenberg zu, 1899 erreichte sie Würzburg. Bis Lohr war die Kette 1895 verlegt, aber ein Kettenschlepper wurde erst 1898 ausgeliefert und die Kettenschiffahrt bis Lohr erweitert. Im Jahre 1900 war der Kettenbetrieb bis Kitzingen aufgenommen. Der Fränkische Kurier schrieb in einem Rückblick über die Anfänge der Kettenschifffahrt: „Das war die Zeit, in der eines Tages das „Kettenboot' die Dörfer und Städte überraschte. Welch ein Jubel damals! Als wäre ein Ueberseedampfer den Rhein und Main heraufgekommen! [...) Meter um Meter stieg da triefend wie eine eiserne Schlange die Kette aus der Tiefe, rollte über das Verdeck, verkroch sich, und plötzlich war sie wieder da, um im nassen Element zu verschwinden. Und die Kinder und Alten standen und staunten.“
Die Kettenschiffahrt erreicht Klingenberg 1898
1998 erreicht die Kettenschifffahrt den Abschnitt Aschaffenburg - Miltenberg. Mit der Kanalisation des Maines, geht dieser Schleppbetrieb an Schraubenschlepper über.
In der Talfahrt benutzten die Kettenschlepper nicht die Kette, sondern einen Turbinenantrieb. Das war ein von einer Dampfturbine in einem Rohr angetriebener Propeller, der einen Strahlantrieb für voraus und zurück bewirkte. Damit ließen sich doch auch Schleppzüge - wie hier vor Klingenberg zu sehen - von 7 Anhängen betreiben. Das Aufstauen des Flusses führte zu einer größeren Wassertiefe und reduzierte gleichzeitig die Fließgeschwindigkeit. Vor allem mussten die langen Schleppzüge an den Schleusen der Staustufen aufgeteilt und getrennt geschleust werden. Das konnte bis zu fünf Stunden Verzögerung bedeuten, da die Schleppkähne mühsam per Menschenkraft in die Schleuse hinein und auch wieder herausgezogen werden mussten. Alles das verschob die Rentabilität von der Kettenschifffahrt zu schraubengetriebenen Schleppern. Die hessische Mainkette-AG konnte mit der fortschreitenden Mainkanalisierung bis Aschaffenburg im Jahr 1921 nur noch ihre Schraubenschlepper wirtschaftlich einsetzen und gab den Schleppbetrieb mit den Kettenbooten Anfang der 1930er lahre ganz auf. Die Mainkette-AG vergrößerte ihren Schiffspark um drei Schrauben-dampfschlepper, die zuerst hauptsächlich als Zubringer in Mainz-Kostheim und Frankfurt eingesetzt wurden, dann aber immer häufiger auch für den Schleppdienst zwischen Mainz und Frankfurt selbst eingesetzt wurden.
Einfahrt bergwärts in die Schleuse Oberrad (Offenbach) 1911. Die Schleuse wurde 1901 in Betrieb genommen. Die Kanalisierung des Maines und das Aufstauen des Flusses schritten weiter voran. Die Schleusen Obernau, Wallstadt und Klingenberg wurden 1929 in Betrieb genommen; das war dann auf diesen Abschnitten auch das Ende der Kettenschifffahrt. Die letzte „Meekuh" konnte in Klingenberg 1929 gesehen werden. Weitere Beschreibungen der Kettenschffahrt auf dem Main sind den fleißigen Recherchen von Otto Berninger vom Wörther Schifferverein zu danken, die dort 1987 veröffentlicht wurden.
Motor-Schiffe
Schiffe als Selbstfahrer entstanden zunächst durch Umbau. Viele Schleppkähne wurden irgendwann in den 50-ger Jahren zu Motorschiffen umgebaut und sind letztlich als solche in den Schiffsregistern genannt.
Eine kleine Episode sei noch vermerkt zum Heimathafen Klingenberg. Die „MAINPERLE" war zeitweise aus der Klingenberger Flotte ausgeschieden. Die Stadt Klingenberg, als Eigentümerein des Bergwerkes, hat 1954 die Transporte komplett an eine Schifffahrtsgesellschaft in Miltenberg vergeben. Karl Th. Schmitt hatte als Klingenberger aber ein besonderes Interesse, ein paar Tage Ladezeit an der Einladung zu verbringen und wehrte sich dagegen. Die Stadt ließ sich aber nicht bewegen und so wurde das Gewerbe der „MAINPERLE" nach Dorfprozelten verlegt. Mit Schiffen kann man das ja machen.
1957 kehrte aber wohl Friede zwischen Klingenberg und der „MAINPERLE" ein. Es gab wieder Tonladungen. Die Namensplanke wurde wieder umgepinselt. Inzwischen ist das Tonbergwerk geschlossen. Es gibt auch keine Holztransporte mehr von Klingenberger Gelände aus. Auch Baustoffe werden keine mehr transportiert. Das gab es einmal eine kurze Zeit lang. Am Röllfelder Ufer arbeitete eine Bimssteinfabrikation, die von Schiffen mit Bimskies beliefert wurde. Die in der Meidinger Statistik von 1840 erwähnte wirtschaftliche Bedeutung von Klingenberg als Verladehafen ist erloschen. Gewerblich angemeldet ist in Klingenberg kein Schiff mehr. Aber noch gibt es Klingenberger Schiffe, wohl weil es noch Schiffer gibt, die sich in Klingenberg gut beheimatet fühlen. Weiter so: In Gottes Namen.